Zahnärztliche Behandlung nach Bestrahlung und unter Chemotherapie

Patienten nach einer Kopf-Hals-Strahlentherapie (RT) weisen eine komplexe Veränderung der Mundhöhlenökologie auf. Radioxerostomie (bis zur Prothesenintoleranz), Strahlenfibrose und Strahlenkaries sowie das Risiko der infizierten Osteoradionekrose (IORN) erfordern besondere Therapiekonzepte und machen die kaufunktionlle Wiederherstellung nach einer Tumorerkrankung zu einer dauerhaften Herausforderung.

Die höchste Priorität nimmt dabei die Vermeidung einer IORN ein. Deshalb schließt sich an die präradiotherapeutische Sanierung aller enoraler Infektionsherde eine Intensivierung der Mundhygiene mit professioneller Unterstützung und die Einhaltung strenger Kautelen bei Eingriffen post radiationem an. Eine lebenslange perioperative antibiotische Abschirmung ist dabei ebenso zu fordern wie atraumtische OP-Technik und suffizienter plastischer Wundverschluss. Differenzierte Maßnahmen sollen zusätzlich die Progredienz der Strahlenkaries und die Symptome der Xerostomie abmildern. Das individuelle Risikoprofil ist anhand der Strahlendosis (< oder > 50 Gy) und der Lokalisation des Bestrahlungsfeldes relativ einfach zu bestimmen. Die wichtigsten Aspekte der zahnärztlichen Betreuung dieser Patienten sind in einer DGZMK-Stellungnahme (www.dgzmk.de) zusammengefasst. Die Wiederherstellung der Kaufunktion ist ein wichtiger Teil der orofacialen und psychosozialen Rehabilitation dieser Patienten. Auch bei Strahlentherapie-Patienten können Implantate dabei eine segensreiche Unterstützung bieten. Die komplexen Aspekte einer Implantatversorgung nach RT haben Eingang in die diesbezügliche S3-Leitlinie von AWMF und DGMKG (www.awmf.de) gefunden.

Die Auswirkungen einer Chemotherapie (ChT; genauer: zytostatischen Therapie einer Neoplasie) können für die Mundhöhle sehr unterschiedlich sein. Relevant sind dabei die Mukositis und konsekutive Wundheilungsstörung, weniger relevant sind die Auswirkungen auf die Speicheldrüsen, die Zähne und den Kieferknochen (außer bei speziellen Medikamenten). Deshalb ist zunächst wichtig zu eruieren, ob eine multimodale Behandlung (Radiochemo-Th.) mit additiven Nebenwirkungen von RT und ChT, oder eine alleinige ChT vorliegt. Bestimmte ChT-Protokolle lösen neben einer generellen Mukositis eine Gingivitis bis zur ANUG (akut nekrotisierende, ulcerierende Gingivitis) aus. Deshalb ist das individuelle Risikoprofil dieser Patienten vor zahnärztlicher Behandlung, insbesondere vor operativen Eingriffen im Detail mit dem betreuenden Onkologen abzustimmen.

Freitag, 12. November 2010
Zeit: 9:45-10:30 Uhr
Ort: CC, Harmonie
Ebene/Etage: C2
Prof. Dr. Dr. Knut A. Grötz

Prof. Dr. Dr. 
Knut A. Grötz 
 
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