Der Regensburger SS-Zahnarzt Dr. Willy Frank. Eine Biographie

In seiner Funktion als Leitender SS-Zahnarzt im KZ Auschwitz-Birkenau wurde der 1903 in Regensburg geborene Dr. Willy Frank in die schlimmsten Verbrechen des Zweiten Weltkriegs verwickelt: Im Frühsommer 1944 begann die so genannte "Ungarnaktion", welche die Auslöschung der knapp 450 000 ungarischen Juden in nur wenigen Monaten vorsah. Aufgrund der Teilnahme an den Selektionen und Vergasungen wurde er – nachdem er ab 1947 unbehelligt seinen Beruf weiter ausüben konnte – rund zwanzig Jahre später im Frankfurter Auschwitz-Prozess zu sieben Jahren Haft verurteilt.

Schon früh engagierte sich Dr. Frank politisch; so nahm er 1919 an den Kämpfen gegen die Räterepublik in München teil, war 1922 Gründungsmitglied der NSDAP-Ortsgruppe Regensburg und trat nach Zugehörigkeit zu NSKK und NSFK schließlich im Jahre 1936 der SS bei. 1942 wurde er aufgrund Frontuntauglichkeit – nachdem er von Juni bis Dezember 1941 in der SS-Division "Wiking" gedient hatte – als Zahnarzt zunächst nach Dachau und später nach Minsk abkommandiert. Mit Übernahme in das SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamt war er anschließend in mehreren Konzentrationslagern als Zahnmediziner tätig. So wurde er 1943 in das KZ Auschwitz-Birkenau versetzt, wo er ab Mitte des Jahres die Stelle des Leitenden Zahnarztes versah. In dieser Funktion oblag ihm nicht nur die zahnärztliche Versorgung der SS-Angehörigen und der Häftlinge, sondern er war auch für die Verwertung des Zahngoldes der toten Häftlinge verantwortlich.

Das Interesse an seiner Person ergibt sich aus dem unauflösbaren Widerspruch, dass er im Arztberuf stand und gleichzeitig als SS-Angehöriger in mehreren Konzentrationslagern Dienst tat. Frank ist einer der wenigen KZ-Ärzte, die nach dem Krieg verurteilt wurden. Trotzdem tritt mit ihnen auch er im kollektiven Gedächtnis hinter Einzelgestalten, wie z.B. Dr. Mengele, zurück. Doch nicht wenige Ärzte gehörten zum festen Personal der Konzentrationslager. Sie unterstützten und förderten durch ihre Anwesenheit ein menschenverachtendes System, handelten entgegen der eigenen Berufsethik. Eine ärztliche Versorgung fand in den Konzentrationslagern letztendlich nicht statt, vielmehr war die Hauptaufgabe der Mediziner die Erhaltung der Arbeitskraft der Häftlinge. Um die Menschen ging es hierbei nicht. Die Selektionen und Menschenversuche, als auch die Überwachung der Zahngoldextraktion nach dem Tod der Opfer scheinen hier nur die logische Konsequenz aus der Abkehr vom Hippokratischen Eid zu sein. Hier wird aber weder eine Fallstudie angestrebt, d. h. die Individualgeschichte einer Person zur exemplarischen Deutung ihrer Epoche bzw. ihres Berufsstandes emporzuheben, noch ein Psychogramm, das monokausale Handlungsmotivationen konstruiert und dabei geschichtliche Zusammenhänge unbeachtet lässt; davon abgesehen, dass selbstreflexive ebenso wie unabhängige Zeugnisse von Dritten weitgehend fehlen, die dazu notwendig wären. Vielmehr soll im Rahmen einer Biographie das konkrete Leben Franks nachgezeichnet und damit ein Beitrag zur Zeitgeschichte sowie insbesondere zur Dokumentation von Ärzteverbrechen in Konzentrationslagern geleistet werden.

Sonnabend, 13. November 2010
Zeit: 9:15-10:00 Uhr
Ort: Maritim, Salon Berlin
Ebene/Etage: C1
Dr. med. Barbara Huber

Dr. med. Barbara Huber 
 
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