Konsumdenken im Gesundheitswesen – Auswirkungen auf die Ästhetische Zahnmedizin

Neben die "Gesundmachende Zahnmedizin" ist heutzutage die "Wellness-Zahnmedizin" getreten. In unserer lebensqualitäts-orientierten Gesellschaft wollen immer mehr Menschen so aussehen, wie sie sich fühlen und sie sind bereit, als Kunden dafür immer mehr Geld auszugeben. Ästhetische Chirurgie und ästhetische Zahnmedizin stellen einen der stärksten Wachstumsmärkte dar. Problematisch wird dies dann, wenn unechte und falsche Ideale - gerade aus Film oder Werbung - als Identifikationsfiguren gewählt werden, wenn sich der Kunde von einem gesellschaftlichen Trend (ver-)leiten lässt. Denn in den Medien bedient man sich immer mehr ästhetisch-perfektionierten Menschen, bei denen das Aussehen durch moderne Computergraphik geändert und „designt“ wird. Ein Bild kann man aber redesignen und der Computergraphiker kann einen Fehler korrigieren oder sein Werk später einem neuen Trend anpassen. Der Mensch ist aber ein biologischer Organismus, der chirurgisch nicht so einfach hin und her designt werden kann. Die Entscheidung zu einer Operation mit all ihren Konsequenzen ist unwiderruflich und nie mehr umkehrbar. Ähnliches gilt für umfassende zahnärztliche Restaurationen, die aus primär ästhetischem Interesse des Patienten durchgeführt werden.

Besondere Bedeutung gewinnt dies bei der Tatsache, dass jede Operation (und jede zahnärztliche Behandlung) immer auch ein Komplikationsrisiko besitzt, für das niemand und insbesondere nicht der Behandler garantieren kann: In der Chirurgie können Wundeilungsstörungen zu sichtbaren und hässlichen Narben führen, nach einer Lidkorrektur können Gewebeschrumpfungen dazu führen, dass das Auge nicht mehr geschlossen werden kann oder nach einer Facelift-Operation passiert es, dass das Gesicht maskenhaft und starr wird. Komplikationen treten immer und regelmässig auf und lassen sich nicht verhindern. Der Kunde muss sich deshalb immer die Frage stellen, ob sein Wunsch nach dem Benefit einer rein-ästhetisch orientierten Behandlung ohne funktionelle Aspekte so wichtig ist, dass er das Risiko, dass eine Komplikation mit all ihren Konsequenzen aufritt, persönlich auf sich nimmt.

Auf der anderen Seite steht der Behandler, der sich zur Aufgabe gemacht hat, eigentlich ein verformtes und funktionsgestörtes Gesicht zu korrigieren, um dem Patienten eine ausdrucksvolle Mimik und eine neue Harmonie des Gesichtsprofils wiederzugeben. Er kann sehr schnell an seine Grenzen stossen, wenn er sich bei den subtilen Anforderungen gerade derSchönheitschirurgie nur auf seine Erfahrung, Augenmaß und Intuition stützt und ihm die nötige Ausbildung fehlt. Tatsächlich ist die Berufsbezeichnung „Schönheitschirurg“ bis heute nicht geschützt während unsere DGÄZ durch die Anerkennung des Zusammenhangs von Ästhetik und Funktion frühzeitig ihr Ausbildungskonzeot darauf abgestimmt hat. Unser DGÄZ-Curriculum ist eines der erfolgreichsten Curriculums innerhalb der APW-Akademie Praxis und Wissenschaft. Verbindliche Ausbildungsrichtlinien, die dem Patienten als Qualitätsmassstab gelten können, werden hingegen von den huimanmedizinischen Fachgesellschaften leider gerade erst entwickelt.

Nimmt man alles zusammen, bedeutet jede Gesichtsveränderung ein Risiko für den Bahandler, weiss der Kunde doch nicht, ob er in dem "neuen" Gesicht wirklich seine eigene Identität wieder finden kann. Nicht selten führen hier eine falsche Erwartungshaltung auf der einen Seite oder auf das Gesicht fehlprojezierte und fehlinterpretierte innere Probleme zu einem Konflikt, der zwangsläufig in Unzufriedenheit mit dem tatsächlich erreichten und maximal möglichen OP-Ergebnis endet. Juristische Auseinandersetzungen haben so häufig weniger einen Behandlungsfehler als eine enttäuschte Erwartungshaltung zum Hintergrund.

Sonnabend, 13. November 2010
Zeit: 11:00-11:30 Uhr
Ort: Maritim, Maritim II
Ebene/Etage: C1
Prof. Dr. Dr. Dr. Robert Sader

Prof. Dr. Dr. Dr. 
Robert Sader 
 
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